Die Kleinbahn Bremen – Tarmstedt

Die „Jan-Reiners-Lok“ – das Wahrzeichen Findorffs

Im Oktober 1891 wurde vom landwirtschaftlichen Verein Lilienthal unter seinem Vorsitzenden Johann Reiners erstmals der Bau einer Bahn durch die Moorgebiete  angeregt. Geplant war eine normalspurige Sekundärbahn (dem Nahverkehr dienende Bahnlinie zur Verkehrsanbindung des ländlichen Raumes) von Horn über Lilienthal, Zeven und Harsefeld bis an die Unterelbe.

Eine zunächst geplante Einführung in die Bahnstrecke Bremen–Hamburg der Staatsbahn in Horn war als Schmalspurbahn nicht möglich, so dass eine eigene Einführung der Kleinbahn in die Bremer Innenstadt gebaut werden musste. Hierfür nutzte die Bahn auf dem Weg durch den Stadtteil Findorff die bis 1891 von der Bahnstrecke Wanne-Eickel–Hamburg genutzte Trasse. Der Endbahnhof wurde an der Stelle errich­tet, wo diese Bahn auch ihren provisorischen Bahnhof hatte, nämlich der Stelle der heutigen Stadthalle auf der Bürgerweide, direkt vor dem Bürgerpark. Daher stammt auch die Bezeichnung Bremen Parkbahnhof für die Endstation.

Am 4.Oktober 1900 wurde die Strecke Bremen – Parkbahnhof – Findorff – Horn – Lehesterdeich – Borgfeld – Lilienthal – Falkenberg – Trupermoor – Wörpedorf – Eikedorf nach Tarmstadt eröffnet.

Die Lokomotive des Eröffnungszuges trug den Namen des Ideengebers der Bahnlinie, des in Lilienthal ansässigen Ökonomierates Johann Reiners (1825–1908), wel­cher sich sehr stark für den Bau dieser Bahn eingesetzt hatte. Die Bahn wurde anschließend umgangssprachlich als „Jan Reiners“ bezeichnet.

Der Betrieb wurde zunächst mit vier Lokomotiven der Hannoversche Maschinenbau AG Hanomag, acht Personen-, zwei Post- und Gepäck-, sowie 50 Güterwagen aufgenommen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 30km/h. Zunächst wurden drei Zugpaare werktäglich angeboten, an Sonntagen wurden noch zwei zusätzliche Zugpaare für den Ausflugsverkehr eingelegt. Der Preis für die einfache Fahrt über die gesamte Strecke betrug 1,10 Mark. Eine Waggonladung Torf kostete bei Jan Reiners 6,– Mark für den Trans­port nach Bremen, und der Transporteur erhielt einen Freifahrtschein (Bremen Park­bahnhof und zurück) von der Bahngesellschaft. Anfangs wurden gemischte Güter- und Personenzüge angeboten. Da sich diese Betriebsform als verspätungsanfällig er­wies, wurden nach dem Ersten Weltkrieg Güter- und Personenverkehr vollständig ge­trennt.

Der Ausflugsverkehr war beachtlich, bereits am ersten Sonntag nach der Betriebseröffnung zählte man 4.000 Fahrgäste. Auch sonst entwickelte sich derPersonenverkehr zufriedenstellend. 1903 fuhren 310.325 Personen mit der Bahn, 1913 waren es bereits fast 500.000 Menschen und 1921 sogar 529.000. 1911 erwog die Kleinbahn, die Strecke zu elektrifizieren, eine Realisierung wurde aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhindert.

1954 stellte die Linie wegen Unwirtschaftlichkeit den Betrieb ein, sie hatte zwar noch eine Gnadenfrist auf dem Abschnitt Falkenberg – Tarmstedt, aber nach einer Beendigung einiger Straßenausbesserungen übernahmen Busse ihren Dienst.

Der Abschied vom Bahnbetrieb fand am 22. Mai 1954 mit großem Pomp, einem Blasorchester und unter großer Anteilnahme der Bremer Bevölkerung statt. Selbst das Originalschild „Jan Reiners“ wurde wieder anlässlich der letzten Fahrt an der Lok Nr. 1 befestigt. Die Zuschauer sangen bei der Ausfahrt des letzten Zuges aus Bremen Parkbahnhof die Titel: „Muss i denn zum Städtele hinaus“ und „Auf Wiedersehn“.

Nach Stelllegung 1954 hatte die Firma Gustav F. Gerdts (Gestra) die letzte fahrbereite Lok erworben und in ihrem Betrieb zur Dampferzeugung aufgestellt; bis zur Installaton einer modernen Druckerzeugungsanlage, die die Lok für den Betrieb überflüssig machte.

Der Bürgerverein Findorff e.V. hatte die Idee, diese Lok im neu geschaffenen Grünzug an der Eickedorfer Straße und somit an der ehemaligen Strecke, zur bleibenden Erinnerung aufzustellen. Die Kosten für das Fundament, den Transport und der Her­richtung der Lok wurden mit ca. 10.000 DM veranschlagt.Dies war ein Kraftakt für den Bürgerverein der mit unzähligen Anträgen, Genehmigungen und Spenden zum Erfolg führte.

Vorab hatte eine der ungewöhnlichsten Sammlungen der Bundesrepublik Deutschland ihren Segen erhalten: der Bürgerverein Findorff durfte mit einer Genehmigung des Senators für Inneres bis zum 30. Juni 1966 um Spenden bitten, um eine Klein­bahn-Lokomotive für die Nachwelt zu erhalten.

Ein besonderen Dank gilt somit dem damaligen Vorstand des Bürgervereins Findorff und insbesondere Frau Ursula Godehus, die noch in Findorff wohnt.

 

(Der Artikel wurde im Dezember 2021 überarbeitet)

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